Diese Woche erhielten wir zusammen mit dem regelmäßigen Kontoauszug für unser laufendes Konto eine Amtsmitteilung des Europäischen Patentamts (EPA), datiert vom 10. Februar 2014, deren Überschrift „Abschaffung der Verwaltungsgebühr bei ungenügender Kontodeckung“ uns zunächst ungewöhnlich erschien.
Eine Kopie der Amtsmitteilung haben wir hier online gestellt.
Der Titel erscheint deshalb ungewöhnlich, weil Anwender das EPA, scherzhaft auch als teuerstes Patentamt der Welt bezeichnet, bisher kaum mit der Abschaffung einer Verwaltungsgebühr in Verbindung bringen würden. Nach detailliertem Studium der Amtsmitteilung entpuppt sich die genannte „Gebührenabschaffung“ jedoch sehr schnell als geschickte Mogelpackung für eine Erhöhung der amtlichen Gebühren, und zwar für den speziellen Fall, dass das laufende Konto eines Anwenders zu irgendeinem Zeitpunkt eine nur unzureichende Deckung aufweist.
Nach bisheriger Praxis konnte, falls am Tag der Erteilung eines Abbuchungsauftrags für eine Gebührenzahlung das Konto keine ausreichende Deckung aufwies, der Fehlbetrag noch innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung einer entsprechenden Amtsmitteilung, in welcher über die Unterdeckung unterrichtet wurde, eingezahlt werden, mit dem Effekt, dass die negative Rechtsfolge für die Nichteinzahlung der Gebühr nicht eintrat (siehe Punkte 6.5, 6.6 und 6.7 der allgemeinen Vorschriften über das laufende Konto). Diese Bestimmung war für den Anwender als Sicherheitsnetz ausgelegt, da er auch im Falle einer Unterdeckung des Kontos immer noch mindestens eine Möglichkeit hatte, den Fehlbetrag zu entrichten und die kurzzeitige Unterdeckung damit ungeschehen zu machen. Die Verwaltungsgebühr in Höhe von 30 % des Fehlbetrages war auch vergleichsweise (nach Maßstäben des EPA) moderat.
Diese Großzügigkeit und das Sicherheitsnetz werden jedoch nunmehr ab dem 1. April 2014 de facto abgeschafft worden. Wie insbesondere aus dem weiteren Schreiben und den in Form eines Klammereinschubs präsentierten eigentlich wichtigen Informationen hervorgeht entfällt die Möglichkeit der Rückdatierung durch Entrichtung der Verwaltungsgebühr:
Dies hat die Folge, dass bei Unterdeckung des Kontos der Rechtsverlust unmittelbar eintritt.
Wir können uns des Eindruckes nicht erwehren, dass durch die Abschaffung der benutzerfreundlichen und bewährten Regelung der Anmelder dazu gezwungen werden soll, von dem viel teureren Rechtsmittel der Wiedereinsetzung (Amtsgebühr hier: 580 EUR) häufiger Gebrauch zu machen. Die vom EPA übersendete Antwort auf unsere allgemeine Anfrage vom 20. Februar 2014 bezüglich des Sinns der neuen Regelungen scheint jedenfalls hierauf hinzudeuten.
Es wird hierbei ganz offensichtlich vom EPA übersehen oder aber zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Möglichkeit der Wiedereinsetzung den professionellen Vertretern vor dem EPA (d.h. Anwaltskanzleien) in der Regel nicht zur Verfügung steht. Eine unzureichende Kontodeckung zum Zeitpunkt der Fälligkeit einer Amtsgebühr dürfte wohl kaum das sehr strenge „all due care required by the circumstances“-Kriterium überwinden können – zumal das EPA gleichzeitig mit der Änderung der Regelungen auch noch die Möglichkeit der Online-Kontoüberwachung angeblich verbessert haben will, siehe Mitteilung vom 10. Februar 2014 sowie Antwortschreiben vom 20. Februar 2014.
Zur Vermeidung von Rechtsverlusten nach Inkrafttreten der neuen Regeln empfehlen wir die folgenden Maßnahmen:
- Bereitstellung einer hohen Liquidität auf dem laufenden Konto, die alle erdenklichen Eventualitäten der laufenden Praxis abdeckt – dies sollte in einer Zeit historisch niedriger Zinsen möglich sein, kann sich im Falle einer steigenden Inflation (oder galoppierender Inflation) schnell als sehr kostspielig darstellen.
- Einrichtung einer in die Zukunft gerichteten detaillierten Liquiditätsplanung für das laufende Konto, regelmäßiger (z.B. täglicher) Abgleich der Liquiditätsplanung mit den aktuellen Kontobewegungen – dies bindet leider zusätzliche Arbeitszeit, die den Mandanten in Rechnung gestellt werden müsste.
- Generell keine Teilnahme an automatischen Abbuchungsverfahren (AAV). In Ergänzung zu der Liquiditätsplanung kann der Zeitpunkt der Transaktionen durch Einzelauftrag erheblich besser gesteuert werden.
Aus unserer Sicht ist die Änderung der bisherigen Praxis sehr bedauerlich, da das Instrumentarium der Möglichkeit der Nachzahlung unter Entrichtung einer Verwaltungsgebühr sehr anwenderfreundlich war. Instruktionen zur Entrichtung von Gebühren werden häufig vor Ablauf einer Frist, sozusagen „kurz vor Abpfiff“, erhalten. In diesem Fall konnte der Vertreter bisher sicher sein, dass die Gebühr als eingezahlt gilt, wenn beispielsweise in der Akte am AVV teilgenommen wurde.
Dem Anschein nach wurde hier ein bewährter Service auf Kosten der Sicherheit für den Anmelder abgeschafft, dies lediglich mit dem Zweck, amtsseitig zusätzliche Einnahmen (Wiedereinsetzungsgebühren) zu generieren.
Foto: © Martin Deutsch, [CC BY-NC-ND 2.0]