HABM: Namensänderung und Neues Verfahrensrecht

EU flagWie das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante (HABM) in einer Online-Pressemitteilung bekannt gegeben hat, wird am 23. März 2016 die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (kurz: Unionsmarkenverordnung) in Kraft treten.

Hierdurch ergeben sich die für die Anmelder und Inhaber von Gemeinschaftsmarken die folgenden Änderungen.

1. Namensänderungen

Das HABM führt ab dem 23. März 2016 die neue Bezeichnung „Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO)“. Die Gemeinschaftsmarke heißt ab diesem Datum entsprechend „Unionsmarke“ (engl. „European Union trade mark“ oder kurz: EUTM).

Zudem werden alle Emailadressen der Beschäftigten des HABM geändert. Die neuen Emailadressen der Beschäftigten lauten: name.vorname@euipo.europa.eu. Die Amts-Webseite wird zukünftig ausschließlich unter der folgenden Domain erreichbar sein: www.euipo.europa.eu.

2. Neue Gebührenordnung

Das Gebührensystem des EUIPO ändert das bestehende Gebührensystem des HABM bezüglich sowohl der Anmeldung als auch der Verlängerung von Marken. Zudem wurden die Gebühren in Markenstreitverfahren und Beschwerdeverfahren geändert.

2.1 Gebühren bei der Anmeldung von Unionsmarken

Die Grundgebühr für die Anmeldung von Marken umfasst künftig nur noch eine Klassengebühr statt wie bisher drei Klassengebühren. Mit anderen Worten muss für eine Anmeldung ab der zweiten Klasse und für jede weitere Klasse eine separate Klassengebühr entrichtet werden. Die Gebühren sind in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst.

Anzahl Klassen aktuelle Gebühr
(online Einreichung)
neue Gebühr
(online Einreichung)
1 Klasse 900 EUR 850 EUR
2 Klassen 900 EUR 900 EUR
3 Klassen 900 EUR 1.050 EUR
jede weitere Klasse 150 EUR 150 EUR

2.2 Gebühren bei der Verlängerung von Unionsmarken

Die Verlängerungsgebühren werden gesenkt und entsprechen nun sowohl der Höhe nach als auch der Strukturierung nach den Anmelde- und Klassengebühren. Die Verlängerungsgebühren sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Anzahl Klassen aktuelle Gebühr
(online Einreichung)
neue Gebühr
(online Einreichung)
1 Klasse 1.350 EUR 850 EUR
2 Klassen 1.350 EUR 900 EUR
3 Klassen 1.350 EUR 1.050 EUR
jede weitere Klasse 400 EUR 150 EUR

In Abänderung zur bisherigen Praxis muss die Verlängerung nunmehr gemäß Art. 47 (3) Unionsmarkenverordnung spätestens am letzten Tag, an dem die Schutzdauer endet, gestellt werden.

Beispiel: für eine am 15. April 2016 angemeldete Unionsmarke ist die Verlängerungsgebühr spätestens am 15. April 2026 (Freitag) zu entrichten.

Wenn die Unionsmarke nicht innerhalb der Grundfrist verlängert wird, kann der Antrag weiterhin gestellt und die Verlängerungsgebühr weiterhin entrichtet werden, sofern eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird, und zwar innerhalb einer weiteren Frist von sechs Monaten nach dem Tag, an dem die Schutzdauer endet.

2.3 Gebühren in Verbindung mit Unionsmarken

Die Verfahrensgebühren für die Einreichung von Widersprüchen, Löschungsanträgen und Beschwerden werden gesenkt, wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist.

Verfahren aktuelle Gebühr neue Gebühr
Widerspruch 350 EUR 320 EUR
Löschung 700 EUR 630 EUR
Beschwerde 800 EUR 720 EUR

3. Einführung von Gewährleistungsmarken

Ab dem 1. Okotober 2017 wird eine neue Schutzrechtsart, die sogenannte Gewährleistungsmarke (engl. „EU certification mark“) eingeführt. Die Gewährleistungsmarke entspricht dem Wesen nach der deutschen Kollektivmarke. Auch in anderen nationalen Markengesetzen der EU-Mitgliedsstaaten sind seit langer Zeit ähnliche Schutzrechte bekannt.

Die Gewährleistungsmarke kennzeichnet einen Qualitätsstandard für die unter der Marke angebotenen Waren. Sie steht nur Mitgliedern einer Organisation zur Verfügung, die die Einhaltung der Qualitätsstandards prüft. Aus diesem Grund muss der Anmelder einer Gewährleistungsmarke zusammen mit der Einreichung der Anmeldung eine Satzung der Organisation vorlegen.

4. Einführung neuer Markenformen

Die Eintragung neuer Markenformen soll erleichtert werden. Auf das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit als absolutes Eintragungshindernis wird ab dem 1. Oktober 2017 verzichtet. Neue Markenformen, wie beispielsweise Hörmarken oder Geruchsmarken, die selbst nicht grafisch darstellbar sind, werden damit grundsätzlich eintragungsfähig.

Ungeklärt ist derzeit leider noch, wie die nichtgrafische Darstellung solcher Marken in jedem Einzelfall künftig erfolgen kann.

5. Mögliche Grenzbeschagnahme im europäischen Warentransit

Die Unionsmarkenverordnung soll die Beschagnahme von Waren im europäischen Transit erleichtern. Dies betrifft Waren, die sich in der Durchfuhr durch die Europäische Union befinden.

Die Markeninhaber werden Waren, die mit ihren Marken widerrechtlich gekennzeichnet sind, künftig auch im reinen Durchfuhrverkehr beschlagnahmen lassen können. Die Beschlagnahme kann allerdings dadurch abgewehrt werden, dass der potentielle Markenverletzer nachweist, dass er die Waren im Bestimmungsland rechtmäßig in Verkehr bringen darf.

6. Interpretation des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses

Wie der Europäische Gerichtshof mit seiner Entscheidung „IP Translator“ (C-307/10) entschieden hat, umfassen die in einer Markenanmeldung beanspruchten Oberbegriffe der Waren und Dienstleistungen einer Nizza-Klasse nicht automatisch alle in die Klasse fallenden Waren und Dienstleistungen. Nach dem aus der angewandten Informatik bekannten WYSIWYG-Ansatz (engl. „what you see is what you get“) sind lediglich und ausschließlich die Waren und Dienstleistungen geschützt, die auch wörtlich unter den Oberbegriff fallen.

Dieser Grundsatz ist nun in § 28 (5) der Unionsmarkenverordnung kodifiziert worden und wird nicht nur für die neu angemeldeten Unionsmarken gelten, sondern auch für alle Altfälle. Da die Anwendung des neuen materiellen Rechts für Altfälle grundsätzlich einen Rechtsverlust darstellen kann, sieht die Unionsmarkenverordnung eine Übergangsregelung für vor dem 22. Juni 2012 angemeldete Gemeinschaftsmarken vor. Bis zum 24. September 2016 können die Inhaber dieser Marken erklären, ob die gewählten Oberbegriffe auch alle weiteren Waren und Dienstleistungen in einer Klasse schützen sollen und können diese Waren und Dienstleistungen nachanmelden.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Begriffe nicht wörtlich unter einen der beanspruchten Oberbegriffe subsumiert werden können. Die nachzumeldenden Waren und Dienstleistungen müssen aus der alphabetischen Liste der zur Zeit der Anmeldung der Marke gültigen Nizza-Klassifizierung ausgewählt werden.

7. Unsere Einschätzung

Aus unserer Sicht sind die mit der Unionsmarkenverordnung eingeführten verfahrensrechtlichen und materiellen Änderungen grundsätzlich zu begrüßen. Auch die Anpassung der Verlängerungsgebühren an die Anmeldegebühren dürfte die Anzahl der  gegebenenfalls rechtsmissbräuchlichen Wiederholungsanmeldungen reduzieren.

Hinsichtlich des nunmehr in der Verordnung kodifizierten WYSIWYG-Ansatzes zur Interpretation des Schutzumfanges der Marken empfehlen wir den Inhabern und Anmeldern, ihre Markenportfolios hinsichtlich Marken zu prüfen, bei denen aufgrund der Verwendung von Oberbegriffen noch Handlungsbedarf bis zum 24. September 2016 besteht. Im Zweifelsfall sollte eine entsprechende Erklärung beim EUIPO eingereicht und die gewünschten (fehlenden) Waren und Dienstleistungen nachangemeldet werden.

Foto: © MPD01605, [CC BY-SA 2.0]

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6 Antworten zu HABM: Namensänderung und Neues Verfahrensrecht

  1. Schöne Zusammenfassung; Vielleicht bei den Verlängerungsgebühren noch ergänzen, dass diese jetzt taggenau fällig sind und nicht mehr Ende des Monats (Änderung Art. 47 (3) ).

  2. Alexander sagt:

    Vielen Dank für den super Artikel.

    Wie ich gesehen habe sind die hier zusammengefassten Änderungen im europäischen Markenrecht nur die Spitze des Eisberges. Schon erstaunlich, was der Gesetzgeber sich mit der Unionsmarkenverordnung vorgenommen hat.

  3. Julia sagt:

    Ist es nach wie vor so, dass das HABM mehr Gebühren einnimmt, als es zur Deckung der laufenden Kosten benötigt? Nur so kann man sich eigentlich die angekündigten Gebührensenkungen erklären.

    Nach der Änderung der Gebührenordnung ist es fast günstiger, eine EU-Marke nach 10 Jahren verlängern zu lassen, als eine deutsche Marke (750 EUR). Es wird Zeit, dass das DPMA über seine Gebührenstruktur nachdenkt.

  4. @Johannes:

    Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe diese Information in den Artikel aufgenommen. Bin mal gespannt, wie viele Gemeinschafts-/Unionsmarken in den nächsten 10 Jahren erlöschen, weil die Fristen falsch berechnet wurden.

    @Alexander, Julia:

    Die Unionsmarkenverordnung stellt eine wahre Wundertüte an neuem Verfahrens- und materiellem Recht für den Benutzer bereit – ich habe mich oben auf die aus meiner Sicht wichtigsten Änderungen beschränkt.

    Wie Forrest Gump sagen würde: “Europäisches Markenrecht ist wie eine Pralinenschachtel – man weiß nie so genau, was man bekommt”.

  5. Ralf Jäger sagt:

    Achim Bender (Richter am BPatG) hat sich in einem Vortrag am 8. Mai 2013 zu den Reformvorschlägen der Kommission zum nationalen Markenrecht und zur EU-Marke dahingehend geäußert, dass für Hörmarken die digitale Aufzeichnung als MP3-Datei ausreichen soll.

    Dies ist in der Tat eine interessante Entwicklung. Ich frage mich nur, wie die Markengerichte in Deutschland mit MP3-Dateien umgehen werden, wenn tatsächlich Verletzungsfälle dieser EU-Hörmarken auftreten sollten.

  6. Ralf Jäger sagt:

    Nachdem gestern die Webseite des HABM (einschließlich TM class) nicht erreichbar war ist heute die neue Webseite des EUIPO online gegangen.

    https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/

    Ich habe den Eindruck, dass sich seitens der Optik der Seite nicht viel geändert hat. Die Seite lädt jetzt anscheinend etwas schneller.

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