Griechenland: Auswirkungen der Kapitalverkehrskontrollen und des Referendums für Inhaber von Schutzrechten in Griechenland

GreeceDie griechische Regierung hat per Eilerlass vom 28. Juni 2015 Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland eingeführt, welche im Zeitraum vom 29. Juni bis einschließlich 6. Juli 2015 (oder länger) den Zahlungsverkehr zwischen Geldinstituten in Griechenland einschränken, und für den 5. Juli 2015 ein Referendum angekündigt. Für Anmelder oder Inhaber von Schutzrechten (Patente, Marke, Designs u.a.) mit Wirkung für Griechenland ergeben sich dabei die folgenden Konsequenzen und mögliche Szenarien.

Derzeitige Auswirkungen der Kapitalverkehrskontrollen

1. Sämtliche Arten gewerblicher Schutzrechte, einschließlich Patente, ergänzende Schutzzertifikate, Designs und Marken, mit Wirkung für Griechenland verlieren durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen weder die Rechtsbeständigkeit noch die Durchsetzbarkeit gegenüber Dritten. Dies gilt auch für erteilte europäische Patente, die in Griechenland validiert wurden, für europäische Patentanmeldungen mit Benennung Griechenland, für Gemeinschaftsmarken oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster und für internationale Markenregistrierungen mit einer Erstreckung auf Griechenland.

2. Fällige Amtsgebühren, einschließlich Anmeldegebühren für Erteilungs- und Registrierungsverfahren, Druckkosten- und Registrierungsgebühren, Jahres-, Verlängerungs- und Aufrechterhaltungsgebühren sowie anderen Amtsgebühren, können weiterhin beim griechischen Patentamt eingezahlt werden, da elektronisch übermittelte Überweisungsaufträge durch griechische Banken ausgeführt werden.

Auch internationale Banküberweisungen (einschließlich SEPA-Überweisungen) auf Bankkonten von Inlandsvertreter in Griechenland werden weiterhin ausgeführt.

3. Ebenfalls können Gerichtsgebühren ohne Einschränkungen per elektronisch angeordneter Überweisung eingezahlt werden.

Insgesamt sind durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland zumindest im Bereich des gewerblichen Rechtsschutz derzeit keine gravierenden negativen Auswirkungen zu befürchten. Auch sind keine unerwünschten Rechtsverlusten für Anmelder und Inhaber von Schutzrechten in Griechenland zu erwarten.

Zukünftige Auswirkungen des griechischen Referendums

Es ist noch unklar, wie die für den 5. Juli 2015 angesetzte Volksbefragung (Referendum) zu den von den Institutionen ursprünglich vorgeschlagenen Reformen ausgehen wird und welche Schlussfolgerungen letztlich hieraus zu ziehen sind. Aus Sicht der griechischen Regierung ist das Referendum noch keine Entscheidung zum oder gegen einen Verbleib im Euroraum, wenn gleich ein ungewollter Austritt (Grexit) bei einem Nein-Votum deutlich wahrscheinlicher wird. Eine kurzfristige Lösung der Schuldenfrage erscheint in jedem Fall unwahrscheinlich.

In Abhängigkeit vom Ausgang des Referendums ergeben sich die folgenden möglichen Szenarien:

1. Aufrechterhaltung von Kapitalverkehrskontrollen, gegebenenfalls Einführung einer Parallelwährung neben dem Euro

Da über die Gewährung von weiteren Hilfsprogrammen zunächst zahlreiche nationale Parlamente in Europa abstimmen müssten, erscheint es derzeit wahrscheinlich, dass auch unabhängig vom Ausgang des Referendums am 5. Juli 2015 die bereits eingeführten Kapitalverkehrskontrollen mittelfristig aufrechterhalten müssen. Die ELA-Kreditlinie der EZB ist bereits weitgehend ausgeschöpft, so dass diese Maßnahmen zum Schutz griechischer Banken nicht aufgehoben werden können. Es erscheint auch unwahrscheinlich, dass die EZB die ELA-Kreditlinie weiter anhebt, nachdem der Zahlungsverzug gegenüber dem IWF bereits eintreten ist.

Im Vergleich zum oben beschriebenen Szenario ergeben sich keine wesentlichen Änderungen. Selbst für den Fall, dass die griechische Regierung zur Steigerung der Handlungsfähigkeit eine Parallelwährung einführt, werden sich voraussichtlich keine Unterschiede ergeben, da der Euro als Zahlungsmittel weiterhin akzeptiert werden wird.

2. Austritt Griechenlands aus dem Euroraum (Grexit light), Einführung einer neuen Währung

Obwohl derzeit diskutiert wird, ob ein Mitgliedsstaat den Euroraum verlassen kann und gleichzeitig Mitglied der Europäischen Union bleiben kann, wäre diese Option wohl von den meisten europäischen Regierungen bevorzugt, wenn Griechenland den Euro als offizielle Währung aufgeben sollte (insbesondere im Falle eines Nein-Votums). Möglich wäre auch ein kurzzeitiges Verlassen der Europäischen Union, um dann unter vordefinierten Vertragsbedingungen wieder aufgenommen zu werden. Der Euro müsste dabei nicht als offizielle Währung angenommen werden.

Im  Vergleich um Szenario 1 ergeben sich keine gravierenden Unterschiede. Lediglich die Zahlung der Amts- und Gerichtsgebühren würde in der neu geschaffenen Währung (z.B. einer neuen griechischen Drachme) erfolgen.

3. Austritt Griechenlands aus dem Euroraum und aus der Europäische Union (Grexit)

Sofern Griechenland aus dem Euroraum und der Europäischen Union austreten sollte, hätte dies keine unmittelbaren Auswirkungen im Bereich des Patent- und Markenrechts. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) ist ein internationaler Vertrag –  auch zahlreiche Nicht-EU-Staaten (z.B. Norwegen, die Schweiz) sind Mitgliedsstaaten des EPÜ. Bei einem Austritt aus der EU würden europäische Patente auch weiterhin in Griechenland validiert werden können. Auf Schutzrechte in Griechenland hätte ein Austritt Griechenlands aus der EU keine Auswirkungen.

Für angemeldete und eingetragene Gemeinschaftsmarken, sowie angemeldete und eingetragene  Gemeinschaftsgeschmacksmuster existiert das Rechtsinstrument der Umwandlung, so dass das diese Schutzrechte notfalls auf nationaler Ebene fortgeführt werden können. Es kann in diesem Fall parallel zum EU-Schutzrecht (mit Wirkung für alle anderen EU-Staaten) durch Stellung eines Umwandlungsantrages ein zusätzliches griechisches Schutzrecht registriert werden, wobei der Zeitrang des EU-Schutzrechts für das nationale Schutzrecht übernommen werden kann. Ein Rechtsverlust ist unwahrscheinlich, sofern die Fristen überwacht und eingehalten werden.

Da noch keine Einheitspatente, d.h. vom Europäischen Patentamt erteilte Patente mit Wirkung in der Europäischen Union, erteilt worden sind, ist unklar, ob ein Austritt Griechenlands aus der EU einen Einfluss auf das beschlossene Einheitspatentrecht hätte.

Jedoch raten wir auch im Hinblick auf die Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit dem spätestens im Jahr 2017 anberaumten Referendum in Großbritannien (und einem möglichen Brexit), sowie auf ein ähnliches Referendum in Österreich tendenziell davon ab, extensiven Gebrauch von Einheitspatenten zu machen, zumal auch die Kostenfrage für die Aufrechterhaltung dieser Schutzrechte sowie die Gerichtskosten der Einheitspatentgerichte noch nicht abschließend beantwortet worden ist.

Update (10. Juli 2015): Nach dem negativen Ausgang des Referendums wurden neue Verhandlungen über die Gewährung eines dritten Hilfspakets initiiert. Unter diesem Aspekt erscheint das Szenario 1 derzeit als das wahrscheinlichste Szenario. Sofern die Schuldenlast Griechenlands durch Zinsstreckung, einen Haircut oder die Vergabe weiterer Hilfspakete von den Steuerzahlern der anderen Eurostaaten übernommen werden, wäre auch die Aufhebung bestehender Kapitalverkehrskontrollen denkbar.

Foto: © Jochen Zick, action press, [CC BY-ND 2.0]

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2 Antworten zu Griechenland: Auswirkungen der Kapitalverkehrskontrollen und des Referendums für Inhaber von Schutzrechten in Griechenland

  1. Marc sagt:

    Unsere Korrespondenzkanzlei in Griechenland hat uns mitgeteilt, dass sie auch Konten bei Banken außerhalb Griechenlands unterhält, auf die Gebühren im Fall der Fälle eingezahlt werden können. Ich finde es positiv, dass man dort auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.

    Im griechischen Verfahrensrecht gibt es wohl auch zahlreiche Sicherheitsmechanismen, die bei Störung des Bankensystems greifen, so dass ich mir um die bestehenden Schutzrechte erst einmal keine Sorgen mache.

  2. Nach Information von gestern (18.08.2015) wurden die Kapitalverkehrskontrollen teilweise gelockert, nachdem die Zentralbank die ELA-Kreditlinie erhöht hat. Das Thema „Mögliche Folgen eines Grexits“ wird in den meisten Patentanwaltskanzleien und IP-Abteilungen wohl derzeit vom Tisch sein – zumindest kurzfristig für die nächsten drei Jahre.

    Vorher, genauer 2017, können wir uns erst einmal mit dem Thema „Mögliche Folgen eines Brexits“ auseinandersetzen – dieses Thema ist auch im Hinblick auf die Standortwahl zumindest einer Zentralkammer des Einheitspatentgerichts interessant.

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