Erfinderinterview: Was ist zu beachten?

Unterlagen für ErfinderinterviewNach der Realisierung einer technischen Erfindung führt der erste Weg häufig zu einem Patentanwalt oder Rechtsanwalt, der mit der Ausarbeitung und Einreichung von technischen Schutzrechten, zumeist einer Patentanmeldung oder Gebrauchsmusteranmeldung, beauftragt werden soll.

Bereits in Vorbereitung des Erfinderinterviews mit dem Anwalt empfiehlt es sich, die wichtigsten Eckdaten der Erfindung stichpunktartig zusammenzustellen, damit alle Fragen im Gespräch zielgerichtet und effizient geklärt werden können.

Die folgende Checkliste gibt eine Orientierungshilfe für die Vorbereitung des Erfinders bzw. Unternehmers für das Erstberatungsgespräch (Erfinderinterview) beim Anwalt:

1. Identität der Erfinder

Folgende Fragen werden im Zusammenhang mit der Erfinderschaft im Erfinderinterview zu klären sein:

  • Wer ist der oder sind die Erfinder? Welche Personen haben Anteile an der Realisierung des Erfindungsgedankens gehabt? Zu jedem Erfinder sollten der vollständige Name und der Wohnsitz bekannt sein. Zudem empfiehlt es sich, auch Telefonnummern bzw. Emailadressen parat zu haben, damit der Anwalt leichter mit den Erfindern in Kontakt treten kann, sofern es Rückfragen zur Erfindung geben sollte.
  • Werden die Erfinder für bestimmte Zeiträume nicht erreichbar sein?
  • Welche Erfinder stehen oder standen zum Zeitpunkt der Erfindung oder vorher in einem Arbeitsverhältnis? In diesem Zusammenhang ist im Erfinderinterview zu klären, ob es Pflichten zur Übertragung der Erfindung auf ein Unternehmen bzw. Arbeitgeber gibt, wenn die Erfindung beispielsweise keine freie Erfindung ist und eine Inanspruchnahme der Erfindung stattgefunden hat oder abzusehen ist.

2. Identität des Anmelders

Spätestens bei Einreichung einer Patentanmeldung oder Gebrauchsmusteranmeldung muss geklärt worden sein, wer der Anmelder und spätere Rechteinhaber des Schutzrechtes sein soll. Nur der Anmelder ist formell berechtigt, dass Verfahren vor dem Patentamt zu führen, also beispielsweise die Schutzansprüche einzuschränken oder andere Anträge zu stellen.

Als Anmelder kann eine Einzelperson benannt werden oder eine Personengruppe, z.B. als BGB-Gesellschaft. In Frage kommen natürlich Personen oder Personengemeinschaften wie auch juristische Personen, z.B. eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft.

Folgende Fragen sind im Erfinderinterview zu klären:

  • Sofern der Anmelder nicht mit dem Erfinder identisch ist: wie ist die Erfindung auf den Anmelder übergegangen? Beispielsweise kann eine Diensterfindung in Anspruch genommen worden sein oder die Rechte an der Erfindung wurden bereits vertraglich übertragen.
  • Wie lautet die Rechtsform des Anmelders? Existieren Unterlagen zu einem Registereintrag, z.B. ein Auszug aus dem Handelsregister? Wie lautet die Anschrift des Unternehmens?
  • Hat der Anmelder gegebenenfalls Anspruch auf staatliche Förderung? In Frage kommen in Deutschland z.B. Verfahrenskostenhilfe und KMU-Patentaktion. In den USA kann möglicherweise von der Kleinunternehmerregelung (small entity status) oder sogar Kleinstunternehmerregelung (micro entity status) Gebrauch gemacht werden. Gibt es Unterlagen hierzu, die den Rechtsanspruch belegen können?

3. Merkmale der Erfindung

Wesentlich für die Ausarbeitung der Patentanmeldung durch einen Anwalt werden die im Erfinderinterview zur Verfügung gestellten Merkmale und experimentellen Daten zu der Erfindung sein.

  •  Welche technischen Merkmale werden von den Erfindern als wesentlich (fortschrittlich oder andersartig) im Vergleich zum bekannten Stand der Technik angesehen? Was ist das erfinderische Konzept?
  • Ist die Erfindung aus Sicht der Erfinder vorrangig ein innovatives Verfahren oder ein innovatives Produkt (Erzeugnis oder Vorrichtung)?
  • Welche Vorteile oder Effekte werden mit der Erfindung erreicht? Welche Nachteile anderer vergleichbarer Produkte/Verfahren wurden erstmalig überwunden?
  • Wurde die Erfindung bereits implementiert? Existiert bereits ein funktionstüchtiger Prototyp? Falls möglich sollte der Prototyp zum Erfinderinterview mit dem Anwalt mitgenommen werden. Andernfalls: wie weit ist die Entwicklung des Prototyp vorangeschritten?
  • Existieren Unterlagen (technische Zeichnungen, Beschreibungen, Versuchsprotokolle) zur Erfindung?
  • Sind weitere Versuche geplant oder ist die Entwicklung abgeschlossen?

4. Offenbarungen durch Erfinder

Nur eine neue Erfindung kann durch eine Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung tatsächlich geschützt werden. Folgende Fragen sind im Zusammenhang mit der bisherigen Offenbarung durch die Erfinder zu klären.

  •  Wurde die Erfindung durch die Erfinder als Manuskript zur Veröffentlichung (Dissertation, wissenschaftliche Publikation) eingereicht? Wann erfolgt voraussichtlich die Publikation? Das eingereichte Manuskript sollte zum Erfinderinterview mit dem Anwalt mitgenommen werden.
  • Wurde die Erfindung im Rahmen von Vorträgen offenbart bzw. sind Vorträge über die Erfindung geplant? Sind bzw. waren die Zuhörer zur Geheimhaltung verpflichtet. Geheimhaltungsverpflichtungen können sich z.B. aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen oder einer vereinbarten NDA ergeben?
  • Wurde die Erfindung öffentlich vorgeführt oder konnte ein Dritter von der Erfindung Kenntnis nehmen? Ungünstig wäre es, wenn bereits ein Verkauf stattgefunden hat.
  • Haben die Erfinder bereits in früheren Patentanmeldungen als Erfinder genannt? Sofern Offenlegungsschriften zur Verfügung stehen, sollten diese zum Erfinderinterview mit dem Anwalt mitgenommen werden.

5. Verwendeter Stand der Technik

Damit der Anwalt das voraussichtliche Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit der Erfindung beurteilen kann, sollte auch der (interne oder veröffentlichte) Stand der Technik des Anmelders kommuniziert werden.

  • Weist die Erfindung Anknüpfungspunkte zu bereits existierenden Produkten / Verfahren des Anmelders auf? Falls ja, welche Modifizierungen führten zur erfolgreichen Realisierung der Erfindung? Wann wurde das existierende Produkte / Verfahren veröffentlicht und wurden diese durch Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen geschützt?
  • Welche alternativen Informationsquellen gibt es zum Stand der Technik des Anmelders (Webseiten, Präsentationen)?
  • Wurde die Erfindung durch Veröffentlichungen Dritter stimuliert? Welche Veröffentlichungen wurden bei der Realisierung der Erfindung hinzugezogen?

6. Neuheitsrecherche

Eine zumindest kursorische Neuheitsrecherche ist vor der Ausarbeitung der Patentanmeldung sinnvoll, da nur durch Kenntnis des relevanten Standes der Technik die Erfindung auf die wesentlichen Merkmale reduziert werden kann.

  • Wurde der einschlägige Stand der Technik durch eine (ggf. hausinterne) Neuheitsrecherche ermittelt? Eine erste Übersicht über den relevanten Stand der Technik kann durch eine Neuheitsrecherche mittels kostenfreier Recherchetools erfolgen. In welchen Datenbanken wurde recherchiert, durch wen und in welchem Umfang? Welche Recherchestrategie wurde angewendet?
  • Soll eine ergänzende Recherche im Vorfeld vor der Patentanmeldung durch den Anwalt durchgeführt werden? Dies ist häufig dann sinnvoll, wenn die Erfindung in einem technischen Gebiet liegt, welches vom Anmelder bzw. den Erfindern gerade erst  neu erschlossen wurde und in welchem der einschlägige Stand der Technik noch nicht genau bekannt ist.

7. Kommerzialisierung und Marktanalyse

In der Regel dient eine Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung dazu, die Monopolstellung des Unternehmers hinsichtlich eines zu kommerzialisierenden Produktes oder eines Verfahrens langfristig abzusichern. Die Schutzansprüche sollte daher so abgefasst werden, dass sie das Produkt bzw. das Verfahren weitgehend schützen können. Zumeist ist eine Anmeldung zum Patent auch nur in den Ländern sinnvoll, in denen eine Kommerzialisierung angestrebt wird.

  • Wie sieht das zu kommerzialisierende Produkt oder Verfahren konkret aus? In welchen Ländern soll es angeboten und vertrieben werden? Welche Kunden sollen angesprochen werden?
  • Wird das Produkt vom Anmelder selbst vermarktet oder sollen Lizenzen vergeben werden?
  • Wer sind die Hauptwettbewerber im Markt? Welches sind die Konkurrenzprodukte? Ist zu befürchten, dass die Wettbewerber das zu schützende Produkte / das Verfahren kopieren werden?

Letztlich ist die Entscheidung, welche Merkmale unter Schutz gestellt werden sollen und in welchen Ländern Patente angemeldet werden eine wirtschaftliche Entscheidung, die der Unternehmer tragen muss. Der Patentanwalt kann jedoch Auskünfte zu den voraussichtlichen Kosten im Verfahren sowie der generellen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen geben, die bei dieser Entscheidung berücksichtigt werden sollten.

8. Spezialfall: Biotechnologie-Erfindungen

Im Bereich der Biotechnologie-Erfindungen (Gentechnik, Mikrobiologie, Protein- und Enzymtechnik) sind einige Besonderheiten zu beachten, die bereits im Erfinderinterview angesprochen werden sollten.

  • Sind  zur Realisierung der Erfindung nicht öffentlich zugängliche Konstrukte oder Organismen verwendet worden? Falls ja, sind die Konstrukte oder Organismen vom Anmelder hinterlegt worden bzw. ist eine Hinterlegung geplant?
  • Umfasst die Erfindung neue Gensequenzen? Wurde bereits eine BLAST-Analyse durchgeführt? Liegt die Gensequenz in elektronischer Form vor?
  • Welche Gensequenzen sind bereits Stand der Technik? Wie lauten die Genbank-Daten hierzu?
  • Wo liegen die erfindungsrelevanten Domains in der Gen- bzw. Polypeptidsequenz? In Frage kommen hier u.a. die Regionen für Antikörperketten, Binding Domain und Regulationsregionen.

9. Spezialfall: Chemie-Erfindungen

Auch im Fachbereich der Chemie-Erfindungen, insbesondere der organischen und molekularen Chemie sind besondere Punkte zu beachten. Organische Verbindungen können in der Regel durch sogenannte Markush-Formeln optimal geschützt werden.

  • Ist das Syntheseverfahren der Verbindungen allgemein bekannt?
  • Weist die Strukturformel der erfindungsgemäßen Verbindung einen Grundkörper / eine Leitstruktur auf, mit dem bzw. mit der der technische Effekt  erreicht werden kann? Welche Substituenten kommen in Verbindung mit dem Grundkörper bzw. der Leitstruktur in Frage?
  • Welche Substanzen / Substanzklassen wurden konkret synthetisiert?

10. Zusammenfassung: Checkliste für Erfinderinterview

Die oben genannten Fragen sollten vor dem Erfinderinterview beantwortet und schriftlich notiert werden. Eine Kopie der Stichpunkte kann dem Patentanwalt zur Information ausgehändigt werden.

Auch nach dem Erfinderinterview wird der Patentanwalt sich mit ergänzenden Fragen entweder an den Unternehmer oder die Erfinder wenden. Hierzu sollten vor allen Dingen die aktuellen Kontaktdaten aller beteiligten Erfinder und des Unternehmers mitgeteilt werden.

Fotografie: Armin Dörr

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